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Losung

Losung für Donnerstag, 28. März 2024
Gerechtigkeit erhöht ein Volk; aber die Sünde ist der Leute Verderben.
Sprüche 14,34

Jesus ging nach seiner Gewohnheit hinaus an den Ölberg. Es folgten ihm aber auch die Jünger. Und als er dahin kam, sprach er zu ihnen: Betet, dass ihr nicht in Anfechtung fallt!
Lukas 22,39-40

© Evangelische Brüder-Unität

Unsere Kirche

Ansicht der Kirche
Ansicht der Kirche

Nähern wir uns dem Neustadter Ortsteil Haardt von der Rheinebene her, wird unser Blick zuerst vom mächtigen Haardter Steinbruch eingefangen, dann gleiten unsere Augen nach Westen, sie fahren das Straßendorf unter dem Wald entlang und heften sich an die Silhouette des wunderschönen Haardter Schlösschen, verweilen dort, um rechts darunter die Protestantische Kirche in einem Meer von Bäumen zu entdecken. Ihr Turm aus rotem und gelbem Sandstein ragt heraus über das verwitterte Biberschwanzdach, das ein Kirchenschiff von 25 Meter Länge bedeckt. Nähern wir uns Haardt am Ende eines schönen Tages, dann liegt die Kirche in ihrem rosarotem Pastell ins Abendlicht getaucht, ein Bild wie in der Toskana; nichts als Ruhe und Frieden geht von ihm aus. Wir Haardter lieben unsere Kirche; wenn wir von Reisen kommen, dann überkommt uns beim Anblick unserer Kirche das Gefühl: Jetzt sind wir daheim.

Fahren wir nun, oder besser noch, wandern wir die Haardter Straße oder die Probstgasse hinauf auf die Hauptstraße, den Mandelring; nur einige hundert Meter weiter liegt sie auf einmal da, die alte Kirche, verborgen hinter einem kleinen Park. Unter einem Blätterdach gehen wir hinab zur Eingangspforte. Wir stehen auf historischem Boden: Vermutlich seit dem 14. Jahrhundert stand hier eine kleine Kapelle mit Turm und Glocke, die St.-Wolfgangs-Kapelle, umgeben von einem Kirchhof, in dem die Toten der Gemeinde ruhten.

Seit 1570 war Haardt evangelisch (reformiert), wurde aber lange als nicht groß genug empfunden, eine eigene Pfarrei zu werden; erst 1806 wurden die Haardter für das lange Warten belohnt: Durch ein Dekret Napoleons bekam die Kirche endlich ihren Pfarrer. Das alte Kirchlein hatte inzwischen weichen müssen, es war zu klein geworden und zudem baufällig. Mit großen Anstrengungen wurden zahlreiche administrative Hürden überwunden. Enorme Eigenleistungen und Baumaterialgeschenke umliegender Gemeinden ermöglichten es, 1781/82 eine stattliche Kirche mit Dachreiter (Notturm) für zwei Glocken zu errichten. Der Dachreiter wurde 1867 abgenommen und die Kirche erhielt einen richtigen, 36 Meter hohen Turm, mit Raum für Uhr und vier Glocken ( 3 Hamm-Glocken von 1949, 1 Bachert-Glocke von 1963).

Der Innenraum

Altar und Orgel
Altar und Orgel

Betreten wir den Kirchenraum: Wir stehen im Innern einer typisch pfälzisch-protestantischen Barockkirche. Die Haardter Kirche zeichnet sich durch besondere Schlichtheit aus. Hier ist wohl verwirklicht, was die Väter der Pfälzer Kirchenunion als „edle Simplizität“ für die Kirchen gewollt haben, damit nichts der Blick von Gottes Wort weglenkt: Große, völlig transparente bleiverglaste Fenster geben dem Quersaal natürliche Helligkeit, die eichenen seitenverzierten Sitzbänke, in vier Blöcken angeordnet, sind ganz auf Kanzel und Altar hin ausgerichtet. Die beiden Emporen liegen auf schlichten Sandsteinsäulen auf. Die Wände sind ringsum holzverkleidet, davor eine umlaufende Bank.

Der Altar ist ebenfalls aus schlichtem Eichenholz. Die Kanzel ist älteren Ursprungs, im Corpus Nussbaumholz mit schönen Einlegearbeiten. Wertvoll ist die historische Orgel, die von der bekannten Orgelbauerfamilie Stumm aus Rhaunen-Sulzbach (Westerwald) bald nach 1782 errichtet wurde. Die Orgel erklingt in der originalen Disposition, perfekt abgestimmt auf den Kirchenraum. Die Kirche verfügt über eine hervorragende Akustik und wird gerne auch für kammermusikalische oder solistische Aufführungen genutzt.

Die Haardter Kirche mit ihrem vielen Licht und Holz strahlt eine Wärme aus, die sich uns mitteilen will. Sie schenkt dem, der in ihr verweilt Ruhe und Gelassenheit. Hier scheint die Zeit innezuhalten für die Begegnung mit Gott. Besichtigen können Sie das Haardter Kleinod nach den Gottesdiensten, die sonn- und feiertags um 10.00 Uhr stattfinden. 

Kirchenbau und Kirchenweihe

Kirchenbau und Kirchweihe

Wie die Haardter zu ihrer Kirche kamen.

„Die Protestanten von Haardt wollen ihre Kirche nicht missen.
Sie reden nicht gerne über ihr Christsein, aber sie sind doch da, wenn sie gebraucht werden. Die Haardter wissen: Was nicht zur Tat wird, hat keinen Wert.“

So ist es zu lesen in der Pfarrbeschreibung, die der langjährige Haardter Pfarrer Wilhelm Alexander (1933 – 1965) verfasste.

Diese Charakterisierung, die sich auf Ereignisse im Jahre 1937 bezieht, passt ebenso gut als Überschrift über die Baugeschichte unserer Haardter Kirche.

Schon seit ewigen Zeiten, seit dem 14. Jahrhundert stand  eine kleine Kapelle, Wolfgangskapelle genannt, am Platz unseres heutigen Gotteshauses.

Der Pfarrer aus Gimmeldingen war zuständig für die gottesdienstliche Betreuung, einen eigenen Pfarrer hatte Haardt zu dieser Zeit noch nicht.

Durch die typische Siedlungsstruktur, die lang gezogene Dorfstraße, zeigten
die beiden Ortsschwerpunkte Vorderhaardt und Unterhaardt die Tendenz auseinander zu driften, - die Vorderhaardt nach Neustadt und Winzingen, die Unterhaardt nach Gimmeldingen.
Nur die Kirche als Mittelpunkt konnte  diesen Tendenzen entgegenwirken.
Die Kirche  stiftete so nicht nur eine gottesdienstliche Gemeinschaft, in ihrem Umfeld entwickelte sich die Dorfgemeinschaft der Haardter.

Haardt, ein Teil des konfessionellen Flickenteppichs Der reformierte Glaube war ab 1570 endgültig in der Kurpfalz eingeführt und auch nach den Wirren des Dreißigjährigen Krieges mit mehrmaligen Konfessionswechseln blieb die Kurpfalz zunächst beim reformierten Glauben.

Doch nicht  nur der Kurfürst war Landesherr und als solcher zuständig für die Konfession seiner Untertanen – wie in Haardt -  auch der Fürstbischof von Speyer besaß die weltliche Herrschaft über bestimmte Dörfer und Gebiete. In diesen Besitztümern wurde die Reformation nicht eingeführt und es blieb selbstverständlich beim katholischen Glauben.
 
Strenge Rekatholisierungsmaßnahmen nach dem Aussterben der reformierten Kurfürstenlinie und das  Simultanedikt von 1698 veränderten die konfessionelle Landschaft.
Die Kirchen wurden zu Simultankirchen erklärt, und so fanden sowohl reformierte als auch katholische Gottesdienste  zu unterschiedlichen Uhrzeiten in den Kirchen statt.

 Das Chaos war vorprogrammiert


Streitigkeiten blieben nicht aus, so dass 1705 eine kurfürstliche Religionsdeklaration erlassen wurde, mit verheerenden Folgen: die Errichtung von Trennmauern in Kirchen zwischen Chor und Kirchenschiff, wie in der Stiftskirche und in Mußbach geschehen.

Die Haardter Wolfgangskapelle entging diesem Schicksal, sie war zu klein, so dass eine Aufteilung sinnlos erschien.
Beide Konfessionen, die reformierte als auch die katholische, hatten jedoch das Recht, das Kirchlein zu unterschiedlichen Zeiten nutzen.
Schon bald, im Jahre 1699, wurden jedoch die katholischen Gottesdienste  eingestellt, da in Haardt keine katholische Gemeinde vorhanden war.
In einer alten Chronik heißt es:
„…ist der Kapuziner von Mußbach mit den Mußbacher und Königsbacher katholischen Leuten das letzte Mal  am Dreikönigstag 1699  in der Haardter Kirche gewesen und seinen Gottesdienst gehalten.
Von da an war die Kirche im unbestrittenen Besitz der reformierten Gemeinde.“
Im  Unterschied zu Neustadt konnten Katholiken damals in Haardt nicht recht Fuß fassen.
Auch nach dem 1. Weltkrieg gab es nicht mehr als vier oder fünf katholische Familien im Ort. Erst durch die großen Umwälzungen und Zuzüge nach 1945
wurde auch Haardt konfessionell gut gemischt.

Nach den verheerenden Verwüstungen im Dreißigjährigen Krieg
betrug die Zahl der Haardter Einwohner im Jahre 1655 – sieben Jahre nach  Kriegsende – 168 Seelen. Bis zum Jahre 1775 war Haardt wieder auf 717 Bewohner angewachsen.


Die Kirchenordnung schrieb für alle den regelmäßigen Gottesdienstbesuch vor, doch:

Wann se all noigehen, gehen se net all noi.
So viele Menschen konnte das kleine Kirchlein nicht fassen, zumal es auch in einem maroden, baufälligen Zustand war.

Der Wunsch nach einer neuen, größeren Kirche ist deshalb sehr verständlich. Dieser Wunsch erfasste die Haardter und beflügelte sie zu einer mutigen „Bürgerinitiative“, wie wir es heute nennen würden.
Da konnte sich niemand auf ein gewähltes Gremium, Presbyterium oder Gemeinderat berufen, nach dem Motto: „Die sollen mal machen“.
Diese demokratischen Institutionen waren unbekannt, Einigkeit und Initiativen zum Gemeinwohl waren gefragt.

Zwei mutige Männer nahmen die Sache in die Hand und machten sich schon im Jahre 1762 auf den Weg zur kurfürstlichen Bau-Administration nach Heidelberg „wegen dem vorhabenden Kirchenbau“, wie es in den alten Berichten steht. Die Reise – zu Fuß - und der Aufenthalt dauerten vier Tage, wofür sie aus der Kirchenkasse eine Entschädigung von 9 Gulden, 96 Kreuzer erhielten, incl. der Kosten für einen zu verfassenden Bericht.
Bei der Revision der Kirchenkasse wurde diese Ausgabe mit dem Vermerk kommentiert:
„Ist von der Gemeinde zu ersetzen und künftig zu unterlassen, nach kurfürstlicher Verordnung“

Doch wie lautete das Motto: „Was nicht zur Tat wird, hat keinen Wert.“

Kaum drei Jahre später wurden wiederum drei Männer nach Heidelberg gesandt „wegen dem vorhabenden Kirchenbau“. Auch sie erhielten aus der Kirchenkasse ein Zehrgeld.

Die geistliche Administration scheint ein Einsehen gehabt zu haben.
Endlich, im Jahre 1773, erschien Administrationsrat Uhl aus Heidelberg mit Baumeister Rosenthal aus Frankenthal, die die kleine Kapelle besichtigten und eine Vermessung des darum liegenden Geländes vornahmen.

Ein „Riß“ wurde verfertigt und wiederum ein Bittgesuch der Gemeinde um Beschleunigung des Kirchenbaues eingereicht.
Die geistliche Administration scheint aber nur eine Vergrößerung der Kapelle im Sinn gehabt zu haben, eine Erweiterung von 40 auf 44 Fuß Länge.

So wurden in den Jahren 1777 und 1780 nochmals Abgeordnete nach Heidelberg gesandt, die deutlich den Wunsch der Haardter vorbrachten,
„eine ganz neue Kirche“ an Stelle der Kapelle zu errichten .

Winzer und Bauern des Dorfes waren es, die, in einer Zeit, als es keine gewählten Abgeordneten gab, die ungeheueren Strapazen auf sich nahmen und couragiert die Wünsche und Anliegen der Haardter bei der Obrigkeit vortrugen.
Das Zentralarchivchiv der Evangelischen Kirche der Pfalz in Speyer verwahrt die Originale der Bittschriften. Es sind kalligraphische Kostbarkeiten, mit denen in schnörkelreicher Sprache der Wunsch der Haardter nach einer neuen Kirche formuliert wird.

Jetzt geht es los Endlich, nach 18 Jahren, wurden 1780 die Baukosten bewilligt und noch im gleichen Jahr die Kapelle abgerissen.

Die Gottesdienste wurden inzwischen in das Kelterhaus des herrschaftlichen Weingutes Wolf, die heutige Orthopädische Fachklinik, verlegt.
Auf Kosten der Kirchenkasse hatte man den Raum für diesen Zweck notdürftig  hergerichtet.

Jetzt hieß es zupacken. Den ganzen Sommer hindurch „fröhnten“ die Haardter. Wöchentlich zwei – drei Tage schufteten sie am Bau.
Freiwillige Helfer der umliegenden Gemeinden, Gimmeldingen, Mußbach, Neustadt, Winzingen, Hochspeyer, Lambrecht und dem Morschbacherhof
fuhren das Holz herbei aus den Gemeindewäldern, ja selbst aus dem Wald der katholischen Gemeinde Hambach, das von dort gestiftet war.
Sparsam und bescheiden waren sie, die Helfer.
Den Iggelheimer Fuhrleuten z.B., die das Bauholz auf dem weiten Weg von der Flöss-Stelle am Rhein abholten und hierher brachten, wurde ein Zehrgeld von 2 Gulden ausgezahlt.

Im darauf folgenden Jahr 1781 konnte  der Eckstein gelegt werden.
Er ist wieder sehr schön mit der eingemeißelten Jahreszahl 1781 an der Südwestecke der Kirche zu sehen.

Die Grundsteinlegung wurde gefeiert, endlich, nach all’ den Petitionen, den vielen Strapazen, Bitten und Gesuchen sah man sich am Ziel.

Streit  mit der Obrigkeit wegen „10 Schuh Verlängerung“ Damit sich der ganze Aufwand auch lohnte und der Bau auch zukunftsfähig war, verlangte die Gemeinde die Erlaubnis die Kirche auf eigene Kosten 10 Schuh länger bauen zu dürfen, als im Bauplan festgesetzt war.

Da kam es zu „tumultartigen Auftritten“ und handfesten Streitereien.
Die einen warfen die ausgehobenen Fundamentgräben, die plangemäß, d.h. kleiner als gewünscht, ausgehoben waren, wieder zu.
Die Administration auf der anderen Seite versuchte die Vergrößerung mit allen Mitteln zu verhindern, und das, obwohl die Gemeinde aus freiwilligen Beiträgen die Kosten für die Vergrößerung des Mauerwerkes aufbrachte.

Die Haardter waren aber von ihrer Idee, der Kirche  eine zukunftsfähige Gestalt zu geben, überzeugt. Und ein bisschen stur waren sie dann auch.
Sie hielten kein Hindernis für unüberwindlich und brachten außerdem das notwendige Geld für die Errichtung der Emporen und des Glockenstuhls auf.
Wir sollten unseren Vorfahren dankbar sein: sie sind nicht zu kurz gesprungen. Sie haben alles daran gesetzt, über Jahre hinweg Sammelaktionen durchgeführt und  so manches Fuder Wein gestiftet, um unsere schöne Haardter Kirche in ihrer heutigen Form entstehen zu lassen.
Seien wir stolz auf die alten Haardter und ihren Gemeinschaftssinn!

Geld, Geld, Geld…

Durch Sammelaktionen, hohe Kollekten im Klingelbeutel und Vermächtnisse kam schließlich das Baugeld für den vergrößerten Neubau zusammen.

Noch heute ist exakt jede Ausgabe nachvollziehbar:
Für Maurer-, Transport-, Steinbrecher-, Zimmerer-, Schreiner-, Schlosser-, Glaser-, Tüncher- und Schieferdeckerarbeiten wurden zusammen
3.678,10 Gulden aufgebracht.
Um eine ungefähre Vorstellung von der Größenordnung der Beträge zu bekommen, kann man die Kaufkraft eines Gulden im Jahre 1700 mit etwa
40 – 50 Euro ansetzen.
Das ergibt bei einem Mittelwert von 45 Euro etwa 165.500,-- Euro Baukosten, die aufzubringen waren, ungeachtet der vielen Muskeleinsätze
vieler Haardter.

 
Kirchweihe wird gefeiert

Nach unglaublich kurzer Bauzeit, am 16. Juni 1782 fand die Einweihung der neuen Kirche statt.

Dieses Kirchweihfest wurde auf der Haardt ganz bestimmt würdig gefeiert.
Wir haben keine Überlieferung darüber, welches Bibelwort über dem Kirch-
weihgottesdienst stand.

Fast auf den Tag genau, am 17. Juni 2007, feiern die Haardter Protestanten das 225-jährige Jubiläum ihrer Kirchweihe.

Der Kreis schließt sich
„Was nicht zur Tat wird, hat keinen Wert!“

Unsere Jubiläums-Kirche ist eingerüstet, die „schöne alte Lady“ zeigt deutliche Spuren des Alterungsprozesses. Nach 225 Lebensjahren
hat sie  eine  gründlichen Renovierung verdient, um das Werk unserer Vorfahren zu erhalten und auch künftigen Generationen noch lange zu dienen.


Turmbau

Mit dem Bau der Kirche waren die Finanzmittel der Haardter Kirchenkasse erschöpft und an die Errichtung eines Turmes war vorerst nicht zu denken.
Man musste sich mit einem Notturm aus Holzwerk, der die Glocke trug,  begnügen.
Auf alten Stichen ist auch die neue „turmlose“ Kirche mit dem Dachreiter zu erkennen.

Dieser hölzerne Glockenturm auf dem Kirchendach  belastete jedoch das Mauerwerk der Kirche so stark, dass es Risse bekam und  die östliche Außenwand der Kirche einzustürzen drohte. Abhilfe war dringend nötig.

Man schrieb das Jahr 1858.
Für den Bau der Gedächtniskirche in Speyer wurde in allen protestantischen Kirchengemeinden der Pfalz gesammelt, auch in Haardt.
Diese Sammlung empfand man hier „als Wink des Herrn“, als äußere Anregung, in Sachen Turmbau aktiv zu werden. 
In einem Gesuch an das Königliche Landkomissariat in Neustadt wurde der Wunsch der Gemeinde formuliert, den Turmbau durch eine Sammelaktion einleiten zu dürfen, um die Schädigung der Kirche abzuwenden:
„…das Landkomissariat wolle gefälligst die Erlaubnis der Königlichen Regierung zu dem Neubau eines Kirchturmes in Haardt erwirken.
Diese Erlaubnis ist deshalb notwendig ehe ein Plan und ein Kostenvoranschlag vorgelegt werden kann, weil die protestantische Gemeinde die Mittel durch freiwillige Beiträge, welche in der Gemeinde gesammelt werden sollen, aufbringen will“.

Bereits am 9. März 1858 kam die Genehmigung
„Im Namen Seiner Majestät, des Königs“
…unter der Voraussetzung freiwilliger Beiträge der protestantischen Glaubensgenossen, Plan und Kostenvoranschlag sofort zu fertigen.

Es war auch damals nicht einfach, das notwendige Geld zusammen zu bekommen.
Im ganzen Dorf wurden mehrere Sammelaktionen durchgeführt, alle beteiligten sich nach ihren Kräften.
Die erhaltenen Sammellisten mit Namen und Beträgen sind ein ergreifendes Zeugnis der Spendenbereitschaft. Manche Beträge waren in fünf Jahresraten zahlbar, von 120 bis 2 Gulden – je nach Vermögen.

Am 9. November 1866 endlich konnte der Königlichen Regierung der Pfalz berichtet werden, dass beim Bankhaus Dacqué – verzinslich angelegt – ein Guthaben von 3.600.-- Gulden deponiert sei. Der fehlende Restbetrag von  2.300 Gulden werde durch ein Darlehen aus Cultus-Mitteln garantiert.

Im Pfarrbericht des Jahres 1867 schreibt Pfarrer Nebinger kurz und bündig:
„Turmbau im Frühjahr 1867 begonnen, nach Plan richtig und geschmackvoll ausgeführt“.
Am 17. November 1867 fand die gottesdienstliche Einweihung mit Beteiligung der ganzen Gemeinde statt.

Am Fuß des Turmes erinnert  ein Gedenkstein an diese große Gemeinschaftsleistung:
„Durch Opferwilligkeit der prot. Bürger Gott zu Ehren erbaut 1867“.

Die geprüfte und in allen Details auch heute noch nachvollziehbare Endabrechung schließt  mit einem Betrag von 5.900,-- Gulden.


Gisela Gauweiler

 

Unsere Kirche -225 Jahre lebendiger Organismus

Als Gebäude hat sie sich kaum verändert – ihre Form, ihre Größe, der Turm auf der Nordseite, alles sieht  - fast – genauso aus wie von Anfang an. Das früher umliegende kirchen- und gemeindeeigene Gelände mit den vielen Bäumen und Büschen hat einer schmalen gepflegten Raseneinfassung Platz gemacht.
Ein friedliches Bild, das Bild, das sich in die Herzen mit dem Begriff „Heimat“ einprägt.

Doch unsere Kirche – wie jedes historische Gebäude oder auch private Häuschen – braucht Aufmerksamkeit und  Zuwendung.
Mit Sicherheit würden wir  heute vor einer Ruine stehen, wenn nicht seit ihrem Bestehen immer wieder verantwortungsvolle Pflege- Sanierungs- und Reparaturarbeiten durchgeführt worden wären.


Neue Probleme – ganz alt

Leicht amüsiert habe ich in einem Gutachten aus dem Jahre 1816 gelesen:
„…da der Kirchenspeicher wegen mangelnder Zuglöcher ganz dumpf ist und dort die Balken in Gefahr sind zu faulen, wenn keine Zugluft hingelangt, so ist es höchst nötig, ein Zugfenster anzubringen, welches mit Fenster und Laden
15 Gulden, 52 Kreuzer kostet.“
Außerdem musste das ganze Dach zum Preis von 18 Gulden ausgebessert werden.

Am meisten überrascht war ich über den 3. Posten in dem Kostenvoranschlag von 1816:
„Da die Kirche noch niemals ausgeweißt worden, also schwarz ist und Risse hat, so muss dieselbe ausgeweißt werden. Die Wölbungen über den Emporbühnen sollen mit hellblauer Leimfarbe angestrichen werden.
Kosten und Material: 44 Gulden.
Insgesamt waren also nur wenige Jahre nach Weihe der Kirche wieder über 77 Gulden aufzubringen.

Wie mag es vor dem hellen Innenanstrich drinnen ausgesehen haben?
Der blanke Kalkputz an den Wänden, durch Ofenheizung, Öllampen- und Kerzenruß immer dunkler geworden – keine anheimelnde Atmosphäre wie heute.

Der Kirchenanstrich wurde dann 70 Jahre später, im Jahre 1886 nochmals
aufgefrischt und musste halten bis Ende der fünfziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts.
In dieser Zeit erhielt  die Kirche im Rahmen einer umfangreichen Renovierungsaktion den heute noch schönen barocken Anstrich durch die damalige Malerfirma Krämer aus Neustadt.

Der Altar – ein Tresor?


Mühsam entziffere ich die abenteuerlich verschnörkelte Sütterlinschrift in einer Pfarrbeschreibung aus dem Jahre 1855.
Was ich darin über den Altar lese, überrascht mich denn doch.
„Der Altar ist aus Eichenholz entsprechend hergestellt.
Er befindet sich auf einem Sockel von einer Stufe Höhe.
Im Inneren des Altars wurden die Opferteller, die Leuchter, die Geldkasse und anderes aufbewahrt.
Er wurde im Jahre 1855 neu errichtet“.
Ãœber den vorherigen Altar war allerdings nichts zu erfahren.

Unwetterschaden


In der Haardter Chronik wird von einem verheerenden Unwetter im Jahre 1834 berichtet, das Dorf und Flur in starke Mitleidenschaft gezogen hat.
Ganze Häuser seien damals von den Wassermassen weggespült worden, Existenzen wurden vernichtet.
Auch unsere Kirche kam nicht unbeschadet davon, die Fenster wurden durch
Hagelschlag stark in Mitleidenschaft gezogen.
Vielleicht waren sie provisorisch ausgebessert worden, vielleicht hat sie dann ein weiteres Unwetter endgültig zerstört. Wir wissen es nicht genau, nicht alles wurde damals so exakt aufgeschrieben und der Nachwelt überliefert.
Gut erhalten und einsehbar dagegen sind die Fakten:
Rechnungen über die Herstellung von fünf neuen eisernen Kirchenfenstern aus dem Jahre 1877.
Es ist davon auszugehen, dass es sich um die fünf Fenster auf der westlichen (Wetter)-seite der Kirche handelt.
Der Schlossermeister Jacob Steinbauer aus Speyer fertigte zum Preis von 279 (Gold)mark die drei südlichen Fenster. Für das Herausnehmen der alten, Einpassen, Befestigen und dreimaligen Ölfarbanstrich der neuen Fenster wurden 42 Mark berechnet.
Schlossermeister Georg Bauer aus Neustadt fertigte zu den gleichen Bedingungen die zwei nördlich gelegenen Fenster.

Der Glasermeister Ehrly aus Neustadt verglaste die fünf eisernen Fenster mit weißem Glas, das mit Laubwerkbordüren verziert ist.
Dafür sind 172 Mark fällig.

Ein neuer Zugang zur Orgelempore


Der neue Kirchturm auf der nördlichen Schmalseite der Kirche machte einen neuen Zugang zur nördlichen Emporbühne, der Orgelempore nötig.
Eine Türöffnung  wurde herausgebrochen. Doch da stand die Orgel im Weg,
unsere schöne barocke Stumm-Orgel!
Was in diesem Zusammenhang alles mit der Orgel passierte, welche Umbau-
maßnahmen sie über sich ergehen lassen musste, wie übel ihr dabei mitgespielt wurde, das ist eine spezielle Betrachtung wert.
Für den neuen Zugang zur Orgel waren wiederum Maurer- Schreiner- und Tüncherarbeiten zu leisten.


Schwere Zeiten für die Kirche


Die 1. Hälfte des 20. Jahrhunderts war in weiten Teilen geprägt von Kriegen und Naziherrschaft.
Glocken waren abzuliefern, die Ablieferung der Orgelpfeifen konnte im Jahre 1917 durch Glück verhindert werden, aber auch das 1924 neu angeschaffte Geläute wurde im Januar 1942 wieder als Kriegsmaterial abtransportiert.
Im Jahre 1949, ein Jahr nach Einführung der D-Mark, konnte das heutige vier-
teilige Geläute, gegossen in der Glockengießerei Hamm in Frankenthal, feierlich eingeholt und am 18. Dezember 1949 in einem Festgottesdienst geweiht werden.
Die Gesamtkosten beliefen sich auf 11.500,-- DM, die durch freiwillige Spenden der Bevölkerung, einer Spende der politischen Gemeinde und einer Spende der Haardter Winzergenossenschaft aufgebracht wurden.
Der Mangel an allem war in dieser Zeit, so kurz nach Kriegsende, noch groß und überall spürbar. Trotzdem war die Anschaffung von Glocken so wichtig und unbestritten.
Glocken, als Zeichen des Friedens, der Würde und der Identifikation mit Kirche und Heimat, dafür haben auch damals die Haardter sich mächtig angestrengt.

Am Kirchengebäude selbst gingen die Kriegsjahre natürlich auch nicht spurlos vorbei. Wenn es auch – Gott sei Dank – keine großen Schäden gab, so hat doch der Zahn der Zeit kräftig genagt.
Im August und September 1954 wurde durch eine Firma aus Karlsruhe eine Sanierung des Gebälks der Kirche und des Turmes vorgenommen.
Der Hausbock hatte sich teilweise stark eingenistet und musste ausgemerzt werden.
Bei dieser Gelegenheit wurde auch eine Dachrinne angebracht und eine Dohlanlage zur Ableitung des Regenwassers angelegt.
Die Erdarbeiten wurden damals, wie heute, von Gemeindemitgliedern ausgeführt.

In den folgenden Jahren wurde heftig in der Kirche gearbeitet und noch viel Geld in die Sanierung investiert.
Eine Fußbodenheizung ersetzte die bis dahin benutzte Ofenheizung, neue Fenster wurden eingesetzt, der Innenanstrich erneuert, das Holz an den Emporbrüstungen und am Kanzelaufgang behandelt und mit goldenen Leisten versehen und zwei schöne stilvolle Leuchter angebracht.

Die 225 Jahre „Alte Lady“ Haardter Kirche erstrahlt heute wahrscheinlich schöner und heller als kurz nach ihrer Weihe im Jahre 1782.
Dass das Alter aber trotzdem nicht spurlos an ihr vorbeiging und sie in vielen Bereich ein heftiges Zipperlein plagt, das war Gegenstand der Renovierungsarbeiten von 2007.

Gisela Gauweiler