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Losung

Losung für Dienstag, 19. März 2024
Zuflucht ist bei dem Gott, der von alters her ist.
5.Mose 33,27

Euer Herz erschrecke nicht! Glaubt an Gott und glaubt an mich! In meines Vaters Hause sind viele Wohnungen.
Johannes 14,1-2

© Evangelische Brüder-Unität

Monatsspruch September 2012

Bin ich nur ein Gott, der nahe ist,
spricht der HERR, und nicht auch
ein Gott, der ferne ist?  Jer 23,23                       

Liebe Gemeinde,

„From a distance“ heißt ein Lied der amerikanischen Sängerin Bette Midler. Sie singt davon, dass aus der Entfernung unsere Erde blau und grün aussieht, und davon, dass die schneebedeckten Berge weiß leuchten. Aus der Entfernung vereinigt sich das Meer mit den Flüssen, und irgendwo hebt der Adler zum Flug ab.

Aus der Entfernung scheint es dem Song nach offenbar so zu sein, dass Harmonie herrscht und einen weltweiten Widerhall findet. Es wird das Bild gemalt, dass da eine Stimme der Hoffnung und des Friedens hörbar ist und die ganze Menschheit einstimmt.

Aus der Entfernung, gar vom Weltall aus, kann es tatsächlich so erscheinen, dass auf der Erde alle genug haben und keiner bedürftig ist. Aus ganz großer Weite betrachtet gibt es weder Waffen noch Bomben noch Seuchen und auch keine Hungersnöte.

Vielmehr scheint es so zu sein, dass wir aus der Entfernung betrachtet wie Musikinstrumente wirken, die sich in einer Band zusammenfinden und ge­meinsam Lieder der Hoffnung und des Friedens spielen im Namen der Menschheit. Aus der Entfernung betrachtet herrscht Harmonie. Ihr Echo erfüllt die ganze Welt. In dieser Harmonie ist die Hoffnung erkennbar, die höchste Form der Liebe überhaupt, das vereinigte Herz der gesamten Menschheit. Und Gott selbst beobachtet uns in diesem Bild aus der Entfernung.

 

Julie Gold hat 1985 dieses Bild entworfen. Sie schrieb den Text zu dem Song „From a distance“, der mit
Bette Midler 1990 produziert wurde. Julie Gold nimmt in ihrem Text, den man auch als Gemälde sehen kann, die Spannung auf zwischen dem, wie Dinge und Verhältnisse zu sein scheinen und wie sie wirklich sind. Sie schreibt, sie malt. Und wir können das Bild betrachten - aus der Ferne.

 

Oder wir treten ganz nahe an das Bild heran: Wie sieht dann die Erde aus? Immer noch blau und grün? Wie ist das mit der Harmonie, die von der Erde her tönt, wie ein riesiger Chor, der sich zusammenfindet, um Lieder der Hoffnung zu singen?

Aus der Nähe betrachtet werden Disharmonien sichtbar, Unterschiede unübersehbar, unterschiedliche Programme und Positionen unüberhörbar. Waffen blitzen auf, Bomben, Seuchen, Hungersnöte drohen.

Aus der Nähe betrachtet, sehe ich Menschen, jung und alt, die auf der Suche sind. Sie haben Fragen auf der Stirn. „Wie geht es weiter mit mir? Mit meiner Familie? Meinen Freunden? Wie mit den ganzen Kriegen? Wie mit der Umwelt? Wie mit dem Hunger? Wie mit der Welt?“ Ich sehe, wie sich die Menschen umschauen. Sie suchen. Sie rufen Gott. Sie fra­gen: „Bist du nur ein Gott, der ferne ist, und nicht auch ein Gott, der nahe ist? Gott, wo bist du? Was hast du mit der Welt und mit meinem Leben zu tun? Gibt es dich überhaupt?“

 

Wieder trete ich an das Bild heran, das Julie Gold gemalt hat. Ich mache mich selbst auf die Suche. Ich suche Gott. Welchen Ort hat Gott in die­sem Bild? Julie Gold hat als Hintergrund zu ihrem Song gesagt, dass sie an einen alles durchdringenden, gütigen und Segen bringenden Gott glaubt. Wo ist der zu finden? Nur in der Distanz? Weit weg? Dort, wo alles harmo­nisch ist? Sitzt er dort in seinem Lehnstuhl, raucht sein Pfeifchen und alles ist gut?

Wo finde ich Gott? Ich gehe noch näher an das Bild heran. Ich male mir aus, wo er sein könnte. Ich wünsche mir, dass er mitten in den Kriegen, bei den Hungersnöten, bei den persönlichen Schicksalsschlägen wirkt, auch wenn ich ihn nicht sehen kann. Ich wünsche es mir: Gott, da musst du sein! Da muss man dich finden können! Gott, mach was! Tu was! Gott, steh auf von deinem Lehnstuhl und hol uns hier raus! Für den Moment bin ich zufrieden mit mir, denn ich weiß ja nun, wo Gott sein sollte, was sein Platz ist, was er zu tun und zu lassen hat. Ich trete beruhigt von dem Bild zurück und – höre eine leise Stimme: „Bin ich nur ein Gott, der nahe ist, und nicht auch ein Gott, der ferne ist?“

 

Ich rufe: „Gott, wo bist du? Von wo höre ich dich? Aus der Distanz? Aus der Nähe? Durchdringst du alles? Bringst du Segen? Gott, wie erkenne ich dich?“ Ich bin irritiert. Bleibe allein zurück. Das Bild vor meinem Auge verschwimmt und erlischt. „Gott, wo bist du? Wie bist du? Was willst du?“ Diese Fragen lassen mich nicht los. Ich ahne und bete: „Wenn es dich gibt, kann ich dir nicht einfach einen Platz zuweisen in meiner Welt und in dem Bild, das ich mir von ihr male. Ich suche. Ich werde nachdenklich. Ich höre. Ich habe deine Stimme gehört: ‚Bin ich nur ein Gott, der nahe ist’, hast du gesagt, ‚und nicht auch ein Gott, der ferne ist?’ Die Worte klingen nach, und nun weiß ich: Du bist da!“

 

Vertrauen Sie mit mir darauf, dass Gott ansprechbar ist, ob wir uns ihm nahe oder ferne fühlen. Er hört uns, weil er uns liebt.

 

Ihr Pfarrer

Gernod Hussong