Losung
Losung für Freitag, 06. Dezember 2024
Ach HERR, siehe, du hast Himmel und Erde gemacht durch deine große Kraft und durch deinen ausgereckten Arm, und es ist kein Ding vor dir unmöglich.
Jeremia 32,17
Also hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn gab, auf dass alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben.
Johannes 3,16
© Evangelische Brüder-Unität
Es knospt unter den Blättern… (Hilde Domin)
Wenn Sie diesen Gemeindebrief in den Händen halten, geht der Sommer schon zur Neige. Das Licht wird schon wieder milder, der besondere, etwas schwere Duft des Spätsommers dringt in unsere Nase und die Tage sind schon wieder deutlich kürzer.
Noch ein paar Tage der Fülle warten auf uns mit Trauben, Äpfeln, Kürbissen und vielen weiteren Früchten der Erde und, wenn wir Glück haben, noch ein paar warme Sonnenstrahlen. Bald ist es wieder Herbst und die Tage werden kälter, grauer und dunkler.
Im Kirchenjahr warten nun die ernsteren Feiertage auf uns, der Reforma-tionstag, der Buß- und Bettag und der Ewigkeitssonntag.
Über den Herbst schreibt Hilde Domin ein kleines Gedicht, das mich berührt:
„Es knospt unter den Blättern.
Das nennen sie Herbst.“
Es knospt unter den Blättern. So habe ich es noch nie gesehen.
Für mich sind die Blätter immer einfach nur gefallen. Doch wenn ich
genau hinschaue, dann entdecke ich: Das stimmt. Jenseits des vordergründigen Augenscheins gibt es noch etwas anderes: Knospen unter den fallenden Blättern. Das im Frühjahr
wieder neu aufbrechende Leben ist schon darin verborgen.
Es lohnt sich, genauer hinzusehen und dem ersten Blick zu misstrauen. Selbst unter dem, was welkt, ist schon das zukünftige Leben verborgen. Noch ist es nicht ans Licht gebracht. Und doch ist es schon da und wartet auf uns.
Diese Aussicht kann uns vielleicht helfen, die dunklen Tage leichter zu ertragen, sich nicht zu sehr gefangen nehmen zu lassen von ihrem Trübsinn.
Und womöglich kann sie uns auch Mut machen, in anderen Bereichen des Lebens einen zweiten Blick zu riskieren:
Vielleicht ist das, was ich gerade
erlebe, gar nicht so schlimm, vielleicht birgt sich darin noch eine andere Möglichkeit, die sich gar nicht gleich offenbart hat und die neue Wege aufzeigt.
Vielleicht ist mein Gegenüber, das mir gerade so zusetzt, mich so ungeheuer anstrengt, gar nicht so schrecklich, wie zuerst gedacht. Vielleicht zeigt es auf den zweiten Blick noch eine sympathische Seite, die ich noch gar nicht kennen gelernt habe.
Es gibt immer noch eine andere Seite der Medaille.
Den Reformationstag feiern wir, weil Luther entdeckt hat, dass auch Gott anders ist, als er dachte: Er ist nicht der strenge und richtende Gott, sondern der freundliche und gütige Gott, der uns liebt als seine eigenen Kinder. Diese Erkenntnis hat nicht nur die Kirche, sondern die ganze Welt verändert.
Und ich denke, es ist heute ganz besonders wichtig, sich vor Augen zu führen: Jeder Mensch ist ein Kind Gottes, so wie ich, auch bei jedem Menschen „knospt es unter den Blättern“.
Vielleicht lohnt es sich, auch einmal die andere Seite der Medaille beim Menschen zu sehen, die den
Menschen jenseits seiner Leistung wahrnimmt:
einfach nur den Menschen als
Menschen wie du und ich.
Die Welt lechzt danach, über den freundlichen Gott hinaus nun auch den freundlichen Menschen zu
entdecken.
Pfarrerin Annette Leppla